1. November-Ausgabe, Nummer 22/1999

KOMMENTIERT:
                                von Annette Rudolph

 

Instrument des Klassenfeindes

 

Offensichtlich wissen sie sich nicht anders zu wehren als mit Strafandrohungen und wutschnaubenden Erklärungen. Dabei hat die PDS-Landtagsfraktion nur öffentlich gemacht, was ihr im Zusammenhang mit der seltsamen Fördermittelpraxis des Wirtschaftsministeriums und seiner Gesellschaften auf den Tisch kam.

Während die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) Strafanzeige gegen Bodo Ramelow stellte wegen der Veröffentlichung datenschutzrechtlich relevanter Dokumente im Internet hielt es der Wirtschaftsminister sogar für angebracht, von “kommunistischen Methoden” zu faseln. Darüber können freilich nur alle müde lächeln, die mit dem von der SED bestimmten Informationssystem in der DDR ein wenig besser vertraut sind.

So schreibt ein Kommentator in der Ostthüringer Zeitung, dass die Kommunisten ganz gewiss nicht in die Geschichte eingegangen sind “für freizügigen Umgang mit Informationen”. Und weiter: “Hätte die DDR den 50. Geburtstag erlebt, wäre das Internet als ‚Instrument des Klassenfeindes zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten‘ gebrandmarkt worden. Abgesehen davon, dass tattrige Politgreise kaum die richtige Taste getroffen hätten.”

Die PDS ist mit dem Anspruch angetreten, öffentlich zu agieren und für ein “gläsernes Parlament” zu sorgen. Dabei gehört es selbstverständlich zu den ersten Aufgaben der Opposition, die Arbeit der Landesregierung zu kontrollieren. Die Öffentlichkeit “honoriert” diese Bemühungen. Zunehmend wenden sich Opfer, Zeugen oder Ankläger dieser merkwürdigen Thüringer Wirtschaftspolitik an die PDS-Fraktion. Dass da die politisch Verantwortlichen nervös und mitunter auch kopflos werden ist ja zu verstehen.

Allein der Ministerpräsident, so scheint es, will einen kühlen Kopf bewahren. Er griff das Angebot von Gabi Zimmer und Bodo Ramelow auf, dass seine Regierung in einer vertraulichen Sitzung des Wirtschaftsausschusses zu den Vorwürfen Rede und Antwort steht. Damit wäre die PDS einverstanden, schließlich will sie noch existierende Betriebe und insbesondere ihre Arbeitsplätze nicht in Gefahr bringen. Aber aufgeräumt werden muss – so oder so. Sollte die Beratung im Ausschuss zu einer Alibi-Veranstaltung werden, wie das die PDS in der vergangenen Legislatur schon mehrfach erlebte, dann, so gab Gabi Zimmer Bescheid, wird es einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss geben. Dafür ist die gestärkte PDS jetzt nicht mehr auf “Abweichler” aus den anderen Fraktionen angewiesen.

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