Osterländer Volkszeitung 

26./27.Februar 2000

Verfassungsgericht entscheidet im Mai über Mandatsentzug für frühere PDS-Abgeordnete

Lieberknecht verteidigt Stasi-Gesetz”

Weimar (dpa/th). Das Thüringer Verfassungsgericht will am 25. Mai über den Mandatsentzug für die stasibe1as tete frühere PDS-Abgeordnete Almuth Beck entscheiden. Landtagspräsidentin Christine Lieberknecht verteidigte gestern in der mündlichen Verhandlung in Weimar das Stasi-Überprüfungsgesetz, das Grundlage für den bundesweit einmaligen Mandatsentzug war. Dagegen nannte die PDS das Gesetz verfassungswidrig.

Der Entzug sei ein schwerwiegender Eingriff in das freie Mandat gewesen, räumte Lieberknecht ein. Der Landtag habe zwischen dem Recht der einzelnen Abgeordneten Beck und dem Schutz des Parlamentes als Ganzes entscheiden müssen. Um die Funktionsfähigkeit des Parlaments zu schützen, sei auch ein Mandatsentzug als letzte Maßnahme gerechtfertigt.

Die Abgeordneten von CDU und SPD haften Beck am 29. April 1999 mit Zwei-Drittel-Mehrheit das Mandat entzogen, weil sie jahrelang wissentlich für die Stasi gespitzelt habe und darum unwürdig sei, dem Parlament anzugehören. Gegen das Stasi-Uberprüfungsgesetz hatte die PDS-Fraktion ein Normenkontrollverfahren angestrengt. Beck selbst reichte Klage gegen ihren Ausschluss aus dem Parlament ein. Das Verfassungsgericht entscheidet im Mai über beide Fälle.

Das Überprüfungsgesetz vom Dezember 1998 sei verfassungswidrig, weil es in das freie, geschützte Abgeordnetenmandat eingreife, sagten die Anwälte der PDS-Fraktion. Es sei nicht in der Verfassung verankert und verstoße gegen das Demokratieprinzip, weil eine bewusste Wählerentscheidung nachträglich ignoriert werde. Der Mandatsentzug sei eine rein politische Entscheidung gewesen, kritisierte PDSFraktionschefin Gabriele Zimmer.

Lieberknecht räumte ein, dass Thüringen mit dem Mandatsentzug rechtliches Neuland betreten habe und. die Bewertung eine große Herausforderung für die Verfassungsrichter sei. Sie verwies aber auf die Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichtes, dass die Freiheit des Mandates zur Sicherung der Repräsentations- und Funktionsfähigkeit des Parlamentes eingeschränkt werden könne.

Beck hat stets beteuert, als Kaderreferentin für Personalfragen im damaligen Grenzkreis Sonneberg nur rein dienstliche Kontakte zur Stasi gehabt zu haben. Das hätten ihre Wähler gewusst. Dass die Stasi sie als IM führte, sei Beck nicht bekannt gewesen, sagte ihr Anwalt. Allerdings fand sich in ihrer 346 Seiten starken Stasi-Akte eine von ihr unterschriebene Verpflichtungserklärung.

Landtagsdirektor Joachim Link bezweifelte, dass die Wähler von der Stasi-Tätigkeit Becks gewusst hätten. Es sei eindeutig, dass Beck konspirativ mit der Stasi zusammen gearbeitet und anderen damit Schaden zugefügt habe, sagte Lieberknecht. Sie sei enttäuscht, dass Beck sich bis heute nicht von ihrer Stasi-Tätigkeit distanziert habe.