Frankfurter Allgemeine

Seite 4 / Samstag, 26 Februar 2000, Nr. 48

 

    Verhandlung über Mandatsentzug

cpm. WEIMAR, 25. Februar. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof in Weimar hat sich am Freitag in zwei mündlichen Verhandlungen mit der Aberkennung des Mandats der früheren PDS-Abgeordneten Almuth Beck durch den Thüringer Landtag befasst. Es handelte sich um das erste Mal, dass ein deutsches Parlament einem Abgeordneten das Mandat aberkannt hat. Eine Entscheidung der Verfassungsgerichtshofes ist noch nicht ergangen. Der Landtag hatte Frau Beck im April vorigen Jahres das Mandat aberkannt, da sie nachweislich über Jahre hinweg für das Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet hatte.

Frau Beck war ausweislich der Akten “Gesellschaftlicher Mitarbeiter für Sicherheit” (GMS). In den Unterlagen des Landtags heißt es: “Beim GMS handelt es sich um eine seit 1968 eingeführte Kategorie von inoffiziellen Mitarbeitern. die nach dem damaligen Politikverständnis besonders zuverlässig waren und demzufolge eine entsprechende Position inne hatten.” Nach Paragraph 8 des Thüringer Gesetzes zur Überprüfung von Abgeordneten kann das Parlament einem Abgeordneten das Mandat aberkennen, wenn “aufgrund der Überprüfung zur gesicherten Uberzeugung der Mitglieder des Landtags feststeht, dass der Abgeordnete wissentlich als hauptamtlicher oder inoffizieller Mitarbeiter mit dem MFS/AfNS zusammengearbeitet hat und deshalb unwürdig ist, dem Landtag anzugehören," Frau Beck hat ausweislich ihrer Stasi-Akte als Kaderreferentin für Volksbildung im Kreis Sonneberg über mehr als zehn Jahre hinweg mit dem MfS zusammengearbeitet.

Wie Landtagspräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) in Weimar berichtete, lieferte Frau Beck dem MfS 48 Berichte und nahm an 28 so genannten “Treffs” teil. Frau Beck bestritt diese Mitarbeit, obwohl ihre eigenhändig unterschriebene Verpflichtungsermächtigung vorlag. In namentlicher Abstimmung erklärte der Landtag Frau Beck im April vorigen Jahres mit 67 gegen 14 Stimmen für unwürdig, dem Landtag anzugehören. Daraufhin wandte sich die PDS-Fraktion in einem ersten Verfahren unabhängig vom Fall Beck gegen die vom Thüringer Landtag geschaffene Möglichkeit, einem Abgeordneten das Mandat abzuerkennen. Die PDS-Fraktion vertritt die Auffassung, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung dieser Möglichkeit in das verfassungsrechtlich geschützte “freie Mandat” eingegriffen habe. Eine der wesentlichen Garantien für die Unabhängigkeit des Abgeordneten, die grundsätzliche “Unentziehbarkeit” des Mandats, werde entwertet.

In einem zweiten Verfahren wendet sich Frau Beck gegen den Beschluss des Thüringer Landtags, ihr persönlich das Mandat abzuerkennen. Frau Beck machte nach Angaben des Verfassungsgerichtshofes neben grundsätzlichen Einwänden gegen das Gesetz zur Überprüfung von Abgeordneten geltend, dass sie zu keinem Zeitpunkt von ihrer Erfassung als inoffizieller Mitarbeiter des MfS gewusst haben will. Sie habe nicht wissentlich als inoffizielle Mitarbeiterin dem MfS zugearbeitet. Außerdem habe der Landtag die Frage der Parlamentsunwürdigkeit nicht korrekt geprüft. Mit einer Entscheidung wird am 25. Mai gerechnet.