Freitag, 26.Mai 2000, Nr. 122, Seite 3


Das MfS überfordert die bundesdeutsche Justiz
Recht und Sicherheit
 

Am 29.April 1999 entzog die Mehrheit von CDU und SPD im Thüringer Landtag der PDS-Abgeordneten Almuth Beck das Mandat wegen ihrer langjährigen Kontakte zum MfS (siehe jW vom 25.5.) Das Uberprüfungsverfahren erfolgte auf Grund eines Gesetzes, das knapp vier Jahre nach Beginn der Abgeordnetentätigkeit von Frau Beck in Kraft trat. Das Gesetz, das die Grundlage für den Mandatsentzug lieferte, erlangte am 15. Dezember 1998 Rechtskraft, wurde während des laufenden Überprüfungsverfahrens geschaffen - also eine "Lex Beck". Am Donnerstag hob das oberste Thüringer Gericht den Mandatsentzug auf und bezeichnete das entsprechende Gesetz als verfassungswidrig.
Es kümmert die CDU-, DSU- und SPD-Helden der ersten Stunde in Thüringen und Sachsen wenig, was ihnen ein Gericht ins Stammbuch schreibt. Das zeigen die Reaktionen auf das Gerichtsurteil, das zeigten ähnliche Verfahren in Sachsen, das besagt die Qualität der einschlägigen Gesetze, die es so nur in beiden Bundesländern gibt. Wo ein Heitmann Justizminister ist und ein Vogel regiert, könnten auch Fingerhakeln und Gottesurteile in die Strafprozeßordnung eingeführt werden.
Die Ersetzung des Rechts durch Willkür in plumper, provinziell-brachialer Form hat ihre Stütze in der Rechts- und Demokratieverachtung der obersten Justiz- und Politikebenen dieses Landes. Auf ihnen wurde in einer Mischung aus Infamie und Lustlosigkeit jenes Rechtsgestrüpp im Umgang mit der DDR und speziell dem MfS geschaffen, in dem man sich längst gründlich verheddert hat. Ein Blick auf die Ereignisse eines einzigen Monats zum Thema MfS zeigt das: Für westdeutsche Spitzenpolitiker gelten beim Heranziehen von Gauck-Akten Sonderbedingungen; ein westdeutscher Mitarbeiter des MfS wird fast 20 Jahre nach der ihm zur Last gelegten Tat verhaftet; bei einem Journalisten werden 20000 Seiten aus MfS-Akten beschlagnahmt - er besitzt sie bekanntermaßen seit zehn Jahren; zum wiederholten Mal wird überprüft, ob der Fußballer Lutz Eigendorf vom MfS ermordet wurde; Günter Nooke fordert Computer für das Puzzle der zerrissenen Akten, von Hand dauert die Zusammensetzung 375 Jahre. Es ist absurd, hat mit zivilisierten Rechtsnormen wenig zu tun. Die Bundespolitiker interessieren allein, daß das Sonderrecht Ost aufrechterhalten wird.
Erwähnt werden muß nur noch: Selbstverständlich wurde Frau Beck vom PDS-Landesparteitag in vorauseilendem Gehorsam seinerzeit von der Landesliste gestrichen. Im Staatstragen lassen sich die Demokratischen Sozialisten ungern von jemandem übertreffen.

Arnold Schölze

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